CD 2 Andreas Romberg Das Lied von der Glocke

Andreas Romberg Das Lied von der Glocke op 25

ANDREAS ROMBERG (1767-1821)

Das Lied von der Glocke Das Lied von der Glocke op. 25  

1 Solo – Meister Fest gemauert in der Erden 01:08

2 Chor Zum Werke, das wir ernst beginnen 05:02

3 Solo – Sopran Denn mit der Freude Feierklänge 01:16

4 Solo – Tenor Vom Mädchen reißt sich stolz der Knabe 01:37

5 Duett – Sopran-Tenor O zarte Sehnsucht, süßes Hoffen 02:21

6 Solo – Bass Denn wo das Strenge 01:56

7 Solo – Tenor Die Leidenschaft flieht 02:09

8 Soli, Männerchor und Chor Und der Vater mit frohem Blick, doch mit des Geschickes Mächten 01:52

9 Solo – Meister Wohl, nun kann der Guss beginnen 00:58

10 Chor Wohltätig ist des Feuers Macht 05:53

11 Solo – Bass Einen Blick nach dem Grabe 00:38

12 Soli – Quartett Ein süßer Trost ist ihm geblieben 00:33

13 Solo – Meister In die Erd ist's aufgenommen 01:06

14 Chor Dem dunklen Schoß der heil'gen Erde 03:42

15 Solo – Sopran Ach, die Gattin ist's 03:46

16 Solo – Sopran Munter fördert seine Schritte 02:25

17 Duett – Tenor-Bass Heil'ge Ordnung, segensreiche Himmelstochter 01:10

18 Chor Tausend fleiß'ge Hände regen 00:48

19 Soloquartett und Chor Holder Friede, süße Eintracht 03:14

20 Chor Der Meister kann die Form zerbrechen 03:25

21 Solo – Meister Freude hat mir Gott gegeben 01:28

22 Solo – Meister Herein, herein! Gesellen alle 01:09

23 Chor Zur Eintracht 03:58

24 Solo – Meister Jetzo mit der Kraft des Stranges 00:57

25 Chor Freude dieser Stadt bedeute 00:56

 

Besetzung

Stephan Cürlis

 

Solisten

Barbara Schlick, Sopran

Peter Lika, Bass (Meister) 

Mechthild Georg, Alt

Frieder Lang, Tenor

Klaus Mertens, Bass

Chorus Musicus Köln

Das Neue Orchester (Konzertmeisterin: Ingeborg Scheerer)

 

Drei weitere Solostimmen

Paola Gronaum Sopran II

Axel Mendrok, Tenor II

Raimund Nolte, Bass II

 

Christoph Spering, Leitung 

 

Das Lied von der Glocke

Romberg? Nie gehört! werden heute die meisten Musikfreunde sagen. Das war einmal anders. Im vergangenen Jahrhundert war Andreas Romberg sehr bekannt, zunächst als Geigenvirtuose, später als Komponist.

Die Vertonung von Schillers Lied von der Glocke brachte ihm nachhaltigen Ruhm ein, der seinen Tod noch lange überdauerte. Schillers Text hat er es wohl zu verdanken, dass seine Glocke ihn bekannter machte als der ganze Rest seines Schaffens, denn die Glocke gehörte bis weit in unser Jahrhundert zum festen Bestand der Allgemeinbildung.

Jeder, der auch nur ein Mindestmaß an Schulbildung genossen hatte, kannte Das Lied von der Glocke, konnte Teile oder zumindest die berühmtesten Zitate oder ihre Parodien auswendig. Es war geradezu ein Lieblingsgedicht der Deutschen. Dem Balladentext ist es ebenfalls zu verdanken, dass eine Beschäftigung mit dem Werk auch heute noch lohnt. In ihm spiegelt sich das geistesgeschichtliche Umfeld einer Zeit, die vom Aufbruch des Zeitalters der Aufklärung geradewegs in die beschauliche Innerlichkeit des Biedermeier geht.

Romberg und seine Zeit

Andreas Romberg wurde 1767 in Vechta geboren, im gleichen Jahr wie sein Vetter Bernhard, der ein berühmter Cellovirtuose werden sollte. Andreas und Bernhard wuchsen als Söhne von Berufsmusikern gemeinsam auf, begannen zusammen ihre musikalische Laufbahn und waren noch nach der Jahrhundertwende so eng miteinander verbunden, dass die Vettern sich als Brüder ausgaben.

Schon früh trat Andreas als Geiger öffentlich in Erscheinung; bereits als Siebenjähriger unternahm er eine Konzertreise nach Amsterdam. 1790 wurde er gemeinsam mit seinem Vetter vom Kurfürsten Maximilian Franz an der Bonner Hofkapelle angestellt.

Dort wirkte auch der junge Beethoven als Bratscher mit. Christian Gottlob Neefe war zeitweise der Kompositionslehrer von allen dreien. Ausgedehnte Reisen führten Andreas Romberg nach Paris, Italien und Wien, wo er in Konzerten von Haydn und Beethoven auftrat.

Bis 1815 lebte er in Hamburg. Als Geiger wurde er von manchen zu den vollendetesten Virtuosen seiner Zeit gezählt. Als aber Hamburg von wirtschaftlicher Not getroffen wurde, sah sich Romberg nach der Sicherheit eines fürstlichen Hofes um und wurde schließlich Kapellmeister am eher bescheidenen Hof des Herzogs in Gotha, wo er bis zu seinem Tode im Jahre 1821 blieb.

Schillers Ballade Als Schiller im "Musen-almanach für das Jahr 1800" Das Lied von der Glocke veröffentlichte, stand er auf dem Höhepunkt seines Ruhmes als Balladendichter. Auch Das Lied von der Glocke wurde sofort populär. Von Beginn an polarisierte diese Ballade aber auch die Meinungen. Friedrich Schiller sieht Glocke und Glockenguss symbolisch und verknüpft in den eingeschobenen Strophen die technische Schilderung kunstvoll mit Gedanken, die, angefangen vom Leben des einzelnen Menschen, über die wachsende Familie und das Gemeinwesen bis hin zur ganzen Gesellschaft gehen.

Seine hohe Kunst zeigt sich nicht nur darin, wie er Handlung und Reflexion miteinander verknüpft; herausragend ist auch seine Fähigkeit, Bilder und Formulierungen von großer Treffsicherheit und Eindringlichkeit zu finden. Jeder, der die Ballade einmal gehört oder gelesen hat, kann sich an viele markante Sätze erinnern, mag er nun davon ergriffen oder erheitert sein. Vieles ist geradezu sprichwörtlich geworden: Wer die Ballade zum ersten Mal hört, staunt, wie viel ihm schon bekannt ist.

Ist die Volkstümlichkeit der Glocke für manche schon Grund genug, die Nase zu rümpfen, reicht sie doch nicht für größere Kontroversen aus. Diese entstanden durch das Weltbild, das Schiller in seiner Ballade zeichnet. Dieses Weltbild widerspricht einem SchillerKlischee: Schiller, der junge Revolutionär, der die Räuber schrieb und von seinem Fürsten mit Schreibverbot unter Androhung von Festungshaft belegt wurde, der daraufhin floh und vom Pariser Nationalkonvent zum Ehrenbürger der französischen Revolution erklärt wurde.

Dass Schiller der Revolution die Gefolgschaft versagte, als echtes und nicht nur literarisches Blut zu fließen begann, ist verständlich. Was viele Zeitgenossen verbittert hat, war seine geistige Rückkehr zur alten, vormals heftig bekämpften Ordnung. Verse wie "Arbeit ist des Bürgers Zierde, Segen ist der Mühe Preis; Ehrt den König seine Würde, ehret uns der Hände Fleiß" mussten viele als reumütige Rückkehr zu einer heilen absolutistischen Welt ansehen. Böse Zungen behaupten, die Glocke habe zur Pädagogik in der deutschen Schule gehört wie der Rohrstock.

Tatsache ist, dass Generationen von Schülern die Glocke auswendig lernen müssten, und nicht alle taten dies mit Freude.

Rombergs Vertonung

Als Romberg sich daran setzte, Das Lied von der Glocke zu vertonen, hatte er eine zugkräftige Vorlage gefunden. Die Ballade war in aller Munde, und er war nicht der erste, der auf die Idee kam, sie in Musik zu setzen. Ich glaube mit Dir, daß sich die Glocke recht gut zu einer musikalischen Darstellung qualifizierte, aber dann müßte man auch wissen, was man will, und nicht ins Gelag hinein schmieren.

Dem Meister Glockengießer muß ein kräftiger biederer Charakter gegeben werden, der das Ganze trägt und zusammenhält. Die Musik darf nie Worte mahlen und sich mit kleinlichen Spielereien abgeben, sondern muß nur dem Geist der Poesie im ganzen folgen. Ich danke Gott, daß ich diese Musik (von der ich hier ein Morceau gehört habe) und diese Darstellung durch Opitz und die Hartwig nicht habe mich anhören müssen. (Brief Schillers an Christian Gottfried Körner, 5. 3. 1805)

Ohne Pause und Einschnitte spannt die Vertonung einen großen Bogen von den einleitenden Worten des Meisters bis zum abschließenden Glockengeläut. Gegliedert wird sie durch die Verse des Meisters, das Glockengießerlied. Dem Meister ist eine Art Leitmotiv zugeordnet, das im Verlaufe der Komposition immer erkennbar bleibt und unüberhörbar klarmacht: Hier spricht der Meister. Das ruhige und gemütvolle Thema zeichnet ganz in Schillers Sinn einen "kräftigen biederen Charakter" und prägt das ganze Werk.

Die dazwischenliegenden betrachtenden Strophen werden wechselnden Solisten, auch im Duett und in Ensembles, zugeordnet. Eine tragende Rolle spielt der Chor, der Volksmassen und Aufruhr genauso verkörpert wie das abschließende Glockengeläute.

Um 1809 – also etwa gleichzeitig mit Beethovens Fünfter und Sechster Sinfonie – entstanden, spricht diese Komposition doch eine vollkommen andere musikalische Sprache. Die Bildhaftigkeit der Haydnschen Oratorien ist hier verbunden mit einer eindringlichen Schlichtheit, die zu berühren weiß. Wie anders ist es zu erklären, dass viele Hörer einzelne Melodien des Werkes wiedererkennen oder wiederzuerkennen meinen?

Allein in Hamburg gab es zu Rombergs Lebzeiten mehr als ein Dutzend Aufführungen. Seine Ballade, populär wie Haydns Schöpfung und Jahreszeiten, machte die Runde durch die Konzertsäle und Singvereine in ganz Deutschland und ist heutzutage, aus welchen Gründen auch immer, zu Unrecht aus unseren Konzertsälen verschwunden.

Joachim RISCH