CD 17 Mendelssohn Athalia
CD 17 FELIX MENDELSSOHN BARTHOLDY (1809-1847) ATHALIA Cover

CD 17 Mendelssohn Athalia

FELIX MENDELSSOHN BARTHOLDY (1809-1847) ATHALIA

FELIX MENDELSSOHN BARTHOLDY (1809-1847)

ATHALIA

Musik zum Schauspiel von Jean Racine op. 74 in der deutschen Übersetzung von Ernst Raupach mit den Zwischenreden von Eduard Devrient

1 Ouverture: Maestoso con moto. Allegro molto 6.50

2 Deklamation: „Ein Vorgang ist's aus heiligen Geschichten“ 2.19

3 Nr. 1: „Herr, durch die ganze Welt“ (Soli, Chor) 9.42

4 Deklamation: „Die reinen Herzens sind“ 3.11

5 Nr. 2: „O seht, welch ein Stern“ (Soli, Chor) 10.50

6 Deklamation: „Verschwunden aber ist nicht die Gefahr“ 0.45

7 Nr. 3: „Lasst uns dem heil'gen Wort“ (Soli, Chor, Deklamation) 7.06

8 Nr. 4: „Ist es Glück, ist es Leid?“ (Soli, Chor) 6.06

9 Deklamation: „Dem Frieden eine Stätte zu bereiten“ 0.33

10 Kriegsmarsch der Priester: Allegro vivace 4.42

11 Deklamation: „Hebt eure Augen auf, ihr Söhne Levi“ 1.30

12 Nr. 5: „So geht, so geht, ihr Kinder Aarons, geht" (Soli, Chor, Deklamation) 6.16

13 Deklamation: „Herein dringt jetzt“ 1.21

14 Nr. 6: „Ja, durch die ganze Welt“ (Deklamation, Chor) 2.09

Besetzung:

ANNA KORONDI - SABINA MARTIN Sopran

ANN HALLENBERG - BARBARA OCHS Alt

DIRK SCHORTEMEIER - Sprecher

 

Chorus Musicus Köln

Das Neue Orchester

CHRISTOPH SPERING – Dirigent

Aufnahme: Köln, DeutschlandRadio, Funkhaus, 7.-10,5,2002 Eine Co-Produktion mit DeutschlandRadio Produzent: Ludwig Rink Aufnahmeleitung und Schnitt: Uwe Walter Toningenieur: Hans Martin Renz @ 2003 Delta Music GmbH, Frechen. Germany

Mit freundlicher Unterstützung der Evangelischen Kirchengemeinde Mülheim am Rhein und Musikforum e. V. www.musikforum2web.de

 

Große Pläne

Mendelssohns Musik zum Schauspiel Athalia op. 74 von Jean Racine steht im Zusammenhang mit den heutzutage kaum bekannten Versuchen der Wiederbelebung antiker Stoffe im Umfeld des preußischen Hofes in Berlin. Als Friedrich Wilhelm IV. 1840 den preußischen Thron bestieg, war er von der Idee beseelt, den Militärstaat in einen Kulturstaat zu verwandeln, in dem die Schönen Künste – bewusst konkurrierend zum bewunderten Wirken des bayerischen Märchenkönigs Ludwig I. – Vorrang vor allem anderen haben sollte.

Die kulturellen Vorstellungen des preußischen Königs waren allerdings keineswegs modern. Seine Visionen beruhten vielmehr auf verklärt wahrgenommenen MittelalterVorstellungen, so dass der unpreußischste unter den preußischen Königen gemeinhin von seinen Zeitgenossen bereits als „Romantiker auf dem Königsthron“ bezeichnet wurde. Im Kontext seiner ständisch-romantischen Restauration des preußischen Staatswesens als einem christlich geprägten Ständestaat, in dem der Regent von Gottes Gnaden unter starkem Einbezug aller Künste regierte, zielte eine seiner geheimdiplomatischen Unternehmungen darauf, Felix Mendelssohn Bartholdy in der Art eines Hofkomponisten für den preußischen Hof zu gewinnen.

Mendelssohn sollte zum Generalmusikdirektor ernannt und ihm die „Oberaufsicht und Leitung der kirchlichen und geistlichen Musik als Wirkungskreis“ übertragen werden, so lautete jedenfalls das 1842 nachgereichte Dekret zur Berufung Mendelssohns, als dessen Enttäuschung schon zu groß und es im Grunde bereits zu spät war – die Pläne des Königs, der Mendelssohn 1833 anlässlich eines Besuches in Düsseldorf kennengelernt hatte, gingen nicht auf.

Mendelssohn, wohlsituiert in Leipzig, drängte von Anfang an nicht nach Berlin, aber entschied letztendlich die schon 1840 vertraulich an ihn gerichtete Anfrage nach langem Zögern Ende Juli 1841 zunächst positiv, ob er sich eine leitende musikalische Stellung in Berlin vorstellen könne. Preußischer Antikenkult Unmittelbar nach seinem Umzug von Leipzig in das Berliner Elternhaus wird Mendelssohn in den vom König initiierten Antikenkult einbezogen.

Ein erster Auftrag trägt ihm die Komposition der Schauspielmusik zur Antigone op. 55 des Sophokles an, die bereits am 28. Oktober 1841 in Anwesenheit des Königs und geladener Gäste im Potsdamer Palais zum ersten Mal erklingt. Ein Jahr darauf, 1843, beginnt Mendelssohn mit der Komposition der Musik zu Racines Schauspiel Athalie (1691) und zu Shakespeares Sommernachtstraum op. 61. Auch wenn sich Mendelssohn seiner Berliner Verpflichtungen Ende September 1844 wieder entwindet, nimmt er dennoch eine letzte Antiken-Arbeit, die Chöre zu Sophokles' Ödipus auf Kolonnos op. 93 an. (Eine letzte Anfrage des Hofes, ob Mendelssohn auch die Chöre der Eumeniden des Aischylos komponieren wolle, beschied er mit dem Hinweis. dass er dies nicht für realisierbar hielte).

Die allgemeine Enttäuschung über den kunstliebenden und impulsgebenden, letztendlich aber doch initiativschwachen und inkonsequenten König, die Heinrich Heine 1844 in seinem Gedicht Der neue Alexander auf die bissige Formel gebracht hatte „Ja, ich begeistre mich zugleich / für Sophokles und die Knute“, pointierte Mendelssohn ähnlich bereits 1841 in griffigen Gegensatzpaaren: "... die großen Pläne, die winzige Ausführung; die großen Anforderungen, die winzigen Leistungen; die vollkommene Kritik, die elenden Musikanten; die liberalen Ideen, die Hofbediensteten auf der Straße; das Museum und die Akademie und der Sand!“

(Brief an Klingemann vom 15.7.1841).

Mendelssohns Rückzug aus dem so verheißungsvoll begonnenen Berliner Engagement basierte auf der Enttäuschung darüber, dass von den drei ihm ursprünglich vom König zugedachten Bereichen (erstens der Aufbau eines Konservatoriums, zweitens eine repräsentative Kirchenmusik durch die Reorganisation des Domchores) nur der Dritte tatsächlich Umsetzung erfuhr, derjenige der musikalischtheatralischen Wiederbelebung antiker oder auf antiken Stoffen basierender Dramen.

Tragödien-Aufführungen

Die durchaus politisch ausgeschlachtete Gräcomanie der 1820er Jahre, der die idealisierende Renaissance der Antike durch Winckelmann und in dessen Sog zahlreiche miteinander konkurrierende Übersetzungen antiker Tragödien in der Goethezeit vorausgegangen waren, zielte nicht auf bloße Übersetzungen und deutschsprachige Aufführungen der fremdartigen Werke, sondern auf die Vermittlung einer neuen Humanität.

Die neuartige Staatsräson ist mit Begriffen wie politische Liberalität (wie sie sich in der Lockerung der Pressezensur niederschlug), Toleranz (gegenüber den Konfessionen), Diplomatie anstelle ausgeklügelter Kriegsführung, der Förderung der Künste im Allgemeinen, der Bildenden Kunst wie der Literatur und der Bühnenkunst, aber auch der Musik und Architektur im Besonderen umschrieben. Die maßgeblichen ästhetischen Ideale des Königs bewegten sich aber keineswegs in de Moderne, sondern im Historischen.

Das schlug sich z. B. in der Rückkehr zur Hofoperntradition nieder (wie sie schon Friedrich II. zur historisierenden Insel im Umkreis der zeitgenössischen Musikentwicklung geprägt hatte), in der Betonung des französischen Klassizismus (eines Corneille und Racine) wie auch in der Wiederbelebung der Werke Shakespeares und griechischer Tragödien.

Für Letztere bezeichnend ist, dass der preußische König keinen Geringeren als den – damals bereits greisen – Dresdener Dramaturgen und Shakespeare-Übersetzer Ludwig Tieck als Vorleser an seinen Hof verpflichtete, dem er per Kabinettsordre mitteilen ließ: "Die Aufführungen der aus dem Griechischen übersetzten Stücke und die Shakespear‘schen Schöpfungen sollen in artistischer Hinsicht Gegenstand ihrer Bemühungen seyn."

Daneben beauftragte der König den an der Berliner Universität lehrenden Altphilologen August Boeckh mit der theatralischen Realisierung der Stoffe. (Boeckh hatte in seiner 1817 publizierten Studie über die 'Staatshaushaltung der Athener' übrigens ein Ideal der auf den modernen Staat übertragbaren Sozial- und Wirtschaftsgeschichte formuliert). Seine Aufgabe bestand vornehmlich darin, die Tragödien in einer seriösen Übersetzurig vollständig auf die Bühne zu bringen.

Dazu hatte Friedrich Wilhelm IV. den Bühnenraum des Hoftheaters im Neuen Palais Potsdam (dessen Sitzreihen ohnehin amphitheatralisch angeordnet waren) nach antiken Vorbildern extra umbauen lassen. (Hier war auch der Ort zur Aufführung des Schauspiels Antigone [1841] mit der Schauspielmusik Mendessohns gewesen). Lobten die Zeitgenossen an Tiecks Vorlesungen die „Stärke des Tons, das Getragene, die vollkommene Deutlichkeit, womit die schwierigsten Fügungen hervortraten, endlich die Musik, die er in die Rezitation der Chorstrophen zu legen wußte" (Karl Leberecht Immermann), so suggerierte er dem König mit den von ihm zur theatralischen Umsetzung vorgeschlagenen Stoffen gewissermaßen Vorahnungen des Christentums – übrigens zum Entsetzen Boeckhs! Boeckh wie auch Tieck waren sich absolut im Klaren darüber, dass eine realistische Vorstellung und damit auch die Rekonstruktion der tatsächlich im antiken Drama erklungenen Musik unmöglich zu erreichen war.

Übereinstimmung herrschte zwischen beiden aber auch in der Überzeugung, dass der Aufführungstradition im griechischen Theater entsprechend die '- Chorstrophen' gesungen – also komponiert – werden müssten. Gerade das aber war dem humanistisch gebildeten Mendelssohn schon seit seinen Kindertagen vertraut; neben seiner (sogar gedruckten) Übersetzung der Komödie Andria von Terenz ist eine umfassende Unterrichtung in lateinischer und griechischer Sprache wie Literatur dokumentiert; überliefert ist darüber hinaus ein Doppelautograph, auf dem Felix Mendelssohn einige Homer-Verse in der Übersetzung seiner Schwester Rebekka in Musik gesetzt hatte. Entstehungsgeschichte der ‚Athalia‘-Komposition Über die Chöre zu Athalia erschließt sich auch die äußerst verworrene Entstehungsgeschichte der Schauspielmusik Mendelssohns zu Racines Dichtung.

Im Zusammenhang mit der Komposition der Schauspielmusik zu Antigone hatte Mendelssohn gerühmt, "…dass die Chöre wirklich, was wir heute musikalisch nennen, noch heut [sic!] sind […] Die Stimmung und die Versrhythmen sind überall so echt musikalisch, dass man an die einzelnen Worte nicht zu denken und nur jene Stimmungen und Rhythmen zu komponieren braucht, dann ist der Chor fertig." (Brief an Droysen vom 2.12.1841).

Der königliche Auftrag zur Komposition der Athalia bezog sich zunächst auch nur auf die Komposition der Chöre - und die in der Originalsprache der Dichtung, d. h. in Französisch! Für die Antigone hatte Mendelssohn anfangs noch versucht, die Chöre rezitativisch zu behandeln, entschloss sich aber nach den Worten des Schauspielers und Mendelssohn-Freundes Eduard Devrient, die „…Chöre singen [zu] lassen, wie wir die Rollen sprechen würden, d. h. nicht im Bestreben, die Vortragsweise der attischen Tragödie nachzuahmen – was uns ja bis zur Lächerlichkeit treiben könne –, sondern wie man sich heut zu Tage in Rede und Gesang auszudrücken pflege.“

Als Mendelssohn im Jahre 1843 den Auftrag des Königs zur Komposition von Racines Tragödie Athalia erhielt, komponierte er zunächst eine Fassung, die nur die Chöre der Tragödie bedachte und – in französischer Sprache – nur für Frauenchor und Orchester gesetzt war, den späteren Schlusschor zudem unkomponiert ließ. Dabei orientierte sich Mendelssohn hier wie in späteren Fassungen exakt an der Einteilung Racines, d. h. er komponierte die abseits des eigentlichen Handlungsverlaufs (im Dialog) gefassten kontemplativen oder hymnischen Chöre der Dichtung jeweils zum Ende eines Aktes und folgte innerhalb der Chorkomposition Racines Anweisungen zur Textverteilung.

Die Vierte Szene des Ersten Aktes im Drama Racines erscheint als erster Chor der Schauspielmusik (Nr. 1) in der Partitur und bildet die Textgruppierung musikalisch so nach, wie sie Racine vorgegeben hatte: Tout le chœur chante erklingt als vollstimmiger Chor, Une voix seule als solistische Partie, wiederum der Chor singt, wenn es bei Racine heißt: Tout le chœur répète usf. – analog zu dieser Textverteilung bezeichnet Mendelssohn die Nr. 1 auch nicht als Chor, sondern als ‚Dialog‘.

Der Wunsch des preußischen Regenten nach einer Aufführung der Athalie nicht in französischer, sondern in deutscher Sprache, nötigte Mendelssohn zu einer ersten Umarbeitung der Musik, die sich über die Jahre 1843 bis 1845 hinzog. Er berichtet darüber – wie schon zur Antigone-Komposition in erstaunlich ähnlichem Wortlaut – an seinen Freund Klingemann: „Kürzlich habe ich wieder eine große Arbeit zum Privatgebrauch und auf Privatbestellung des Königs von Preussen gemacht, nämlich die Chöre zur Racineschen Athalia, die ich französisch, bloß für Frauen-Chor, aber mit großem Orchester, komponiert habe, und die nun ins Deutsche übersetzt werden müssen, um privatissime bei der Majestät gegeben zu werden“ (Brief vom 12.6.1843).

Die von Mendelssohn angesprochene deutsche Übersetzung wurde dem vom königlichen Hof fürstlich honorierten Theaterdichter Ernst Raupach (1784-1852) angetragen, dessen Theaterschaffen der Zeitgenosse Karl Gutzkow in Berlin, Panorama einer Weltstadt 1840 wenig schmeichelhaft wie folgt charakterisiert: „Allein immer derselbe Stelzengang Schillerscher Geschichtsauffassung, immer dieselben den Schauspielern desselben Theaters auf den Leib zugeschnittenen Charaktere – man muss das Publikum bedauern, weil es bei aller Mannigfaltigkeit doch im Grunde nichts Neues sieht, und die Schauspieler, weil sie die Kraft ihres Gedächtnisses an das nur allzu leicht Vergängliche verschwenden…"

Zwar ließ sich Raupachs deutschsprachige Übersetzung syllabisch ohne Zwang der auf den französischen Text komponierten Musik unterlegen, aber dennoch entschloss sich Mendelssohn zu weitreichenden kompositorischen Veränderungen, so dass mit Fug und Recht von einer zweiten Version gesprochen werden darf. Diese unterscheidet sich vom ersten Entwurf durch die Erweiterung des Chores um Männerstimmen zu einem gemischten Chor sowie Veränderungen in melodischen und harmonischen Verläufen und einer veränderten orchestralen Begleitung.

Diese zweite Fassung bedenkt kompositorisch nach wie vor nur die bereits erwähnten Chorabschnitte jeweils zum Ende eines Racineschen Aktes, allerdings enthält sie bereits eine erste Fassung des späteren Schlusschores. Eine für 1843 geplante Uraufführung der Athalia wurde zugunsten von Aufführungen der Antigone sowie der Musik zum Sommernachtstraum verschoben. Der während Mendelssohns England-Aufenthalt 1844 gefasste Plan einer Berliner Aufführung aus Anlass eines Besuchs der russischen Kaiserin veranlasste den Komponisten, in aller Eile den bereits komponierten Chören eine Ouvertüre voranzustellen, die er neben seinen umfangreichen Verpflichtungen in England komponierte. Mit Blick auf diese Aufführung übersandte Mendelssohn im Juni 1844 die Ouvertüre sowie eine zweite Fassung des Schlusschores, darüber hinaus vermutlich auch den Kriegsmarsch der Priester (aus Nr. 4). Von dieser Version als einer dritten Fassung zu sprechen erlaubt, die – nach der übrigens dann doch wieder verschobenen Aufführung – entstandene grundlegende Umarbeitung (mit Strichen und einem zum dritten Mal veränderten Schlusschor) als vierte und endgültige Fassung anzusehen, die schließlich am 1. Dezember 1845 im Rahmen einer Privataufführung im Königlichen Theater Charlottenburg in Berlin ihre Uraufführung erlebte. Folgeaufführungen erfuhr das Werk – noch zu Lebzeiten Mendelssohns – in England, zunächst wiederum in französischer Sprache, dann in einer englischen Übersetzung.

Die letztgültige Fassung (übrigens mit französischem und deutschem Text) wurde als 'Nr. 2 der nachgelassenen Werke Mendelssohns' nach dessen Tod vom Leipziger Verlag Breitkopf und Härtel gedruckt. Mit dem Tod Mendessohns 1847 ist die Geschichte der Athalia-Komposition allerdings nur zu einem vorläufigen Ende gelangt.

Denn bereits zwei Jahre nach dem Ableben des Komponisten setzt dessen Freund, der Schauspieler und Opernsänger Eduard Devrient, seinen Plan in die Tat um, den Text Racines zu bearbeiten. Devrients Zwischenreden zur Verbindung für MendelssohnBartholdys Musik zu Athalia komprimieren die durch Racine weitschweifig geführten Dialoge und perspektivenreich gestalteten Handlungsfäden auf einen die zentralen Aspekte des dramatischen Geschehens nacherzählenden Monolog – die vorliegende Einspielung folgt dieser Version.

Die Geschichte Athalias Der früh verwaiste französische Dichter Jean Racine (1639-1699) erfuhr seine schulische Bildung vor allem in dem vom Jansenismus geprägten Kloster Port-Royal, als dessen Anhänger er zeit seines Lebens verstanden werden darf. Der jansenistische Pessimismus geht von der grundsätzlichen Verderbtheit des Menschen aus, von der nur wenige Auserwählte Erlösung erfahren. Racines dramatisches Schaffen ist von Anfang an durch die in diesem Sinne tragischen Stoffe der griechischen Dichter geprägt, in denen die Protagonisten nicht selbstbestimmt Entscheidungen fällen, sondern im Kontext eines allmächtigen Schicksals zu handeln gezwungen sind.

In der Mehrzahl seiner fünfaktigen Verstragödien erfüllte Racine den theoretischen Anspruch der klassischen Dichtungslehre, tragisches Geschehen mittels Vergeistigung und Überhöhung an die sittlichen und gesellschaftlichen Normen seiner Zeit anzupassen. Im Spätwerk greift Racine allerdings nicht mehr auf die sein Hauptwerk bestimmenden Tragödienstoffe der griechischen Antike zurück, sondern nimmt mit Esther (1688, dt. Übersetzung 1689) und Athalie (1690, öffentlich aufgeführt 1716; deutsch 1691 Athalja) alttestamentliche Stoffe zur Vorlage seiner Dichtungen. In ihnen ist weniger der Kampf unbändiger Leidenschaft, sondern eher die Frage der Staatsraison thematisiert.

Die beiden letztgenannten Dramen, deren Libretti übrigens auch schon von Georg Friedrich Händel komponiert wurden, entstanden auf Bitten von Madame de Maintenon, der glaubensstrengen Leiterin der Mädchenschule Saint-Cyr in Paris, in der vornehmlich Töchter verarmter Adelsfamilien unterrichtet wurden. Nicht erst die letztgenannten Werke offenbaren Racines Vorliebe, Frauen als Subjekte der tragischen Erfahrung und des Untergangs zu bevorzugen.

Nach der biblischen Überlieferung (2 Kg 11,1-22 und 2 Chr 22,10-12, sowie 23,12-15) erscheint Athalia als bestialisch mordende, radikal die eigene Sippe auslöschende Despotin, die in ihrem Absolutheits- und Machtwahn am Ende an einem Kind scheitert im Räderwerk ihrer eigenen dynastischen Geschichte. Seit der Reichsteilung (931 v. Chr.) stehen sich die Königreiche Israel und Juda feindlich gegenüber. Athalia, Prinzessin aus dem Nordreich Israel und Frau des Königs Joram (König des Südreiches Juda 849-842 v. Chr.) beeinflusst ihn und ihren Sohn Ahasia, selbst in Jerusalem den Götzendienst für Baal (Baalskult) nachzugehen.

Sie lässt alle Davidien beseitigen, ihren Mann und die eigenen Söhne (die als Nachfolger Davids potentielle Thronfolger waren) umbringen und regiert selbst (842-836 v. Chr.), bis sie von Priesterkreisen gestürzt und getötet wird. Unter den Ermordeten befinden sich auch die Kinder ihrer Söhne. Einzig Ahasias Sohn Joas, der von seiner Schwester Josabeth (der Frau Jojadas) gerettet werden konnte, entgeht dem bestalischen Wüten Athalias. Josabeth überantwortet Joas ihrem Mann, dem Hohenpriester Jojada (=Joad) zur heimlichen Erziehung im Tempel.

Die Geschichte um den Sturz und Tod Athalias bildet den Gegenstand von Racines Dichtung. Das Drama erhält seinen Impuls zunächst aus einem Wirklichkeit gewordenen Alptraum Athalias: Beim Besuch des Tempels entdeckt sie den Knaben, von dem ihr träumte, dass er sie einst entthronen werde. Fortan versucht Athalia, seiner habhaft zu werden, um auch ihn zu vernichten. Ein zweiter Handlungsstrang entwickelt sich aus dem Anliegen der Priester, die Tyrannin zu entthronen, den von Athalia etablierten Baalskult wieder zu eliminieren und die Erbfolge des Königshauses an Athalia vorbei zu sichern, indem der Hohepriester Jojada Joas noch als Knaben zum König ausrufen lassen will (2 Kön 11,1-22).

Devrients Zwischenreden reduzieren die weit ausgeführten, viele Szenen bestimmenden gereimten Dialoge Racines zwischen einer Vielzahl von hier nicht angeführten weiteren Personen auf eine jeweils ‚Deklamation‘ genannte, zielstrebig auf die von Mendelssohn komponierten Szenen zulaufende Zusammenfassung. Der Verzicht auf die in ausgeschmückten Reflexionen von Seelenpein, Zerrissenheit und Visionen bei Racine handelnden Personen rückt die Erzählung zugunsten der Musik in den Hintergrund, selbst wenn Devrient dramaturgisch in die Partitur eingreift und einzelne Takte der Musik zur deklamatorischen Aufführung streicht.

Schauspiel und Schauspielmusik Auch wenn die Chöre zu Athalia von Racine (so der ursprünglich von Mendelssohn vorgesehene Titel) nur eine Schauspielmusik darstellen, so ist dennoch eine oratorische Dimension vor allem für die endgültig überlieferte Fassung der Musik gegeben. Zu Mendelssohns Zeit ist Schauspielmusik in der Hierarchie der Kompositionen nicht in ästhetischer Eigenständigkeit anerkannt. Als funktionale Musik verstanden, ist sie im Sekundären der Gelegenheitskomposition angesiedelt. In ihrer das Theaterstück unterstützenden Funktion darf sie Aufmerksamkeit bindende und vom Sprechtheater ablenkende oder gar wegführende Qualität und Eigenständigkeit nicht erreichen.

Andererseits muss sie, wie Lessing mit Berechtigung im sechsundzwanzigsten Stück seiner Hamburgischen Dramaturgie (zwar nur von den Instrumenten) fordert, in ihrem Ethos dem Inhalt des Dramas entsprechen, d. h. einen angemessenen, dem Stück dienenden Charakter besitzen, der der klanglichen Dimension zwangsläufig jede Verselbständigung versagt. Jedoch komponiert Mendelssohn keine traditionellen ‚Zwischenaktmusiken‘ (zur Trennung oder Verbindung von Akten), sondern Teile des Dramas, so dass die Kompositionen durchaus die Qualität einer Veroperung des Schauspieltextes besitzen und dadurch die Musik in den Vordergrund der Wahrnehmung rückt. (Hätte Mendelssohn wie vormals Händel den gesamten Schauspieltext komponiert, wir würden heute von einem Oratorium sprechen.)

Diesen dominanten Eindruck des Musikalischen unterstützt auch die von Karl Gutzkow in seinem Aufsatz Ludwig Tieck und seine Berliner Bühnenexperimente (1843) geäußerte Kritik über das „pseudoartistische Treiben“, die er darin begründet sah, dass die Aufführungen der antiken Dramen „überwiegend von der Musik unterstützt durchaus für das rezitierte Drama nur [ein] zweideutiges Ergebnis erzielen können.“ Devrients Zusammenstellung von Text und Musik stellt die in der Chronologie des Kompositionsprozesses als letztes Stück entstandene Ouvertüre [Track 1] noch vor die erste Deklamation [Track 2].

Sie ist durch kurze, unverwechselbare, aber rasch wechselnde Charakteristika geprägt, deren Schwenken zwischen drama-tisch-majestätischem und beschwingt wirkendem idyllischem Gestus zum Ende durch ein Maestoso entschieden ist. Nach ihrer Faktur erklingt ein Stück absoluter Musik im besten Sinne, deren Motive in keinerlei Verbindung zu den musikalischen Elementen der folgenden Nummern stehen. Racines Parallelisierung seines Dramas zu den formalen Strukturen der antiken Tragödie ist unübersehbar.

Die sogenannten epirrhematischen Szenen (d. h. das Dazugesprochene, das die Dialogverse des Chores in der attischen Tragödie zum Ende eines Aktes bezeichnet) bestimmen auch bei Racine jeweils die Finalszene eines jeden Aktes. Mendelssohn findet für die Nr. 1 (Dialog – Allegro maestoso vivace [Track 3]) eine Entsprechung, indem er dem Chor (auch geteilt) Charakteristika des Jubels und der Anbetung ebenso wie des Lobes und des Ruhmes zuweist, den Soli (die wie bei Racine so auch bei Devrient anonym bleiben) klagende und liebliche Töne zuweist, so dass sich für die musikalische Struktur der Nummern eine Folge unterschiedlicher (auch wiederholter) Episoden ergibt. Während die Instrumentalbegleitung für die Chorpartien den majestätischen Gestus mit entsprechend emblematischen Instrumenten (Pauken, Posaunen und Trompeten) kaum verlässt, ist die Differenzierung für die solistischen und Ensembleabschnitte im Orchestralen weit getrieben. Abweichend von der biblischen Erzählung begegnet Athalia dem im Tempel versteckten Kind und versucht es – vergeblich – zu sich zu locken (Deklamation [Track 4]).

Gerade darin, dass Mendelssohn den Chorklang im Unisono der einzelnen Stimmen gleich einem Engelschor aus der Höhe in die Tiefe herabsinken lässt, birgt der Satz Nr. 2 (Andante quasi Rezitativ [Track 5]) die größte Erinnerung an den Ursprung der Komposition für Frauenchor. Colla parte sind nun die Chorstimmen von Holzbläsern über akkordischen Streicherklängen begleitet, vergleichbar ausgedünnte orchestrale Klänge untermalen die folgenden Abschnitte, die nahtlos Soli, Ensemblepartien und Choreinwürfe miteinander verbinden und deren szenische Einheitlichkeit durch den pastoralen Charakter des begleitenden Instrumentariums und den durchgehaltenen 6/8-Takt gewährleistet ist.

Die Bedrängung der Idylle bricht abrupt ein (durch den Wechsel der Stimmlage, der Tonarten, des Instrumentariums, des Begleitduktus). Mendelssohn gibt die Kontinuität des musikalischen Flusses zugunsten rezitativischer Abschnitte und responsorialer Anlagen (d. h. zwischen Vorsänger und nachsingendem Chor), drängender Rhythmik und gegensätzlich gestalteter Wechselreden auf. Die kontradiktorische Anlage bleibt auch im Choralzitat (Ach Gott vom Himmel sieh darein) zum Ende der Nummer erhalten, indem das Orchester zunächst im dramatischen Gestus begleitet. Für das abschließende Gebet, das ebenfalls auf der Choralmelodik fußt, differenziert Mendelssohn drei Ebenen: diejenige des Gebetes für den jeweils zweistimmigen Frauen- und Männerchor, diejenige des emphatisch verzweifelten, die Rache des Jüngsten Gerichts beschwörenden Solosoprans, und diejenige der synkopisch rhythmisierten, die Szene bindenden Holzbläser mit der Unterstützung akzentuierender Blechbläser. Athalia sendet Boten aus, den Knaben Joas gefangen zu nehmen und ihr auszuliefern und droht für den Fall der Verweigerung mit Vergeltung (Deklamation [Track 6]).

Den Aufruf des Hohenpriesters zur Verteidigung des Tempels [Track 6] fasst Mendelssohn musikalisch anfänglich als Chorgebet (im Stil einer Preghiera) mit dem in der Deklamation angesprochenen Instrumentarium (Harfe). Die Fortführung der Sze- - 9 - ne erinnert allerdings an die Antigone, in der Mendelssohn vergleichbare Szenen in der Form eines Melodrams gestaltet hafte, d. h. der Chor singt, während der Schauspieler – meist zu Streicherbegleitung – den Text rezitiert. Ebenso hat Mendelssohn dies auch für Athalia aufgenommen und Devrient in seine Textfassung integriert. Für das Melodram Nr. 3 musikalisiert Mendelssohn das Ende des Monologs von Joad (Racine: 111,7) und verschränkt das Ende dieser Szene mit dem Beginn der Dialogszene Sulamiths mit den Stimmen des Volkes (Racine: 111,8).

In der Melodram-Partie verlässt der Komponist die Textzuweisung Racines an die Rollen unter dramaturgischen Aspekten. Im Melodram [Track 6] erklingt die von Racine fixierte Reihung von Monolog (Joad), Ausrufen (Azarius) und Gebetsrufen (Josabet) und der Aufforderung (Sulamith) – von Textkürzungen abgesehen – durchgängig in der Rede einer Person egalisiert. Es spricht nur Joad, es antwortet der Chor [Nr. 4, Track 8]. Anonymisierte Partien (z. B. Une des filles, Une autre, Une voix) sind in der Textpartie entweder gestrichen oder dem Protagonisten zur Rezitation zugewiesen. In der musikdramatischen Gestaltung verfährt Mendelssohn den unterschiedlichen Ausdruckswelten entsprechend vollkommen frei.

Die Vision des Hohenpriesters von der Zerstörung des Tempels vor dem Kampfesaufruf des Volkes verbindet er mit der instrumentalen Ausführung des Chorals Vom Himmel hoch, da komm ich her [Track 6]. Mit dem Ende der Wechselrede – dramaturgisch gesprochen: mitten in der Szene, die Antworten auf die drängenden Fragen Sulamiths fordert – bricht Mendelssohn die Komposition des Melodrams ab und schließt anacca eine Chorpadie (Nr. 4, Track 7) an.

Die von Racine vorgesehene Rollenverteilung ist vom Komponisten überwiegend zugunsten eines Hochchor-Tiefchor-Wechsels (der den Stimmlagen von Frauen- und Männerchor entspricht) nachvollzogen. In der Reduktion der Partien kommen dem zwei- bzw. dreistimmigen Frauenchor nun die Reihung von Fragen, Zweifeln und ängstlichen Äußerungen zu, dem vierstimmigen Männerchor dagegen hymnische Huldigungen, majestätische und visionäre Aussagen – in opernhafter Faktur mit drastischen Stimmungswechseln!

In der Zusammenführung des dreistimmigen Frauenchores mit dem vierstimmigen Männerchor (Nr. 4, Track 7) formulieren solistisch aufgenommene Ensembles mit dem Chortutti eine die Szene beschließende Verheißung von Glück und Frieden. Die Ausführung des zweiten rein instrumentalen Stückes der Athalia-Musik, des Kriegsmarsches der Priester [Track 9] schreibt Mendelssohn dezidiert vor Beginn des Vierten Aktes vor (zuvor noch die Deklamation mit der Kampfesvorbereitung der Priester [Track 8]). In weitestgehender Chordifferenzierung formt Mendelssohn die Dialogsituation zwischen den zum Kampf auffordernden ('So geht') und bestätigenden Gruppen ('Wir gehn', in Nr. 5 [Track 11] nach der darauf vorbereitenden Deklamation [Track 10]). Zwischen die Rufe der Gruppen sind solistische Stimmen eingefügt, die um Gottes Beistand und Hilfe flehen, verzweifeln, und um Beistand im Kampf, schließlich gemeinsam mit dem Chor um Mitleid bitten.

Darein verschränkt erklingen die Kriegstrompeten des Athalia-Heeres. Zu den dramaturgischen Raffinessen gehört, dass der eigentliche Kampf Athalias mit den Priestern sowie ihr Tod keine musikalische Umsetzung erfährt, sondern einer letzten Deklamation [Track 12] vorbehalten bleibt, schließlich erst der Triumphchor zum Ende wieder musikalisiert ist (Nr. 6, Track 13); er basiert auf einleitenden Zeilen aus dem Ersten Akt und der dazu von Mendelssohn komponierten Musik (aus Nr. 1).

Analoge Musik

Mendelssohns Musik zu Racines Schauspiel Athalia dokumentiert kompositorische Dimensionen, die zwischen den bedeutenden Oratorien Paulus op. 36 (1836), Elias op. 70 (1846) und dem Fragment gebliebenen Christus op. 94 (1847) den Weg des Musikdramatikers Mendelssohn beleuchten, weit entfernt von den kleinen Liederspielen frühromantischer Prägung, die den frühen Jahren entstammen, aber auch entfernt von einer Oper romantischen Zuschnitts.

Die langwierige und quälend schwierige Librettoentwicklung mit vielen Beratern und Librettisten gerade der Oratorien offenbart in der Summe das fast verzweifelt zu nennende Suchen und Streben Mendelssohns nach einer ganz eigenen musikdramatischen Sprache, einer modernen musiktheatralischen Ausdruckswelt, die dem Libretto und seiner Dramaturgie adäquate und äquivalente Fügung des Klanglichen bietet – abseits der Nachfolge Beethovens oder der Parallele zu Wagner. Die Schauspielmusiken sind nicht Endpunkte, sondern Entwicklungsstufen, möglicherweise sogar nur Durchgangsstadien der Entwicklung des Musikdramatikers Mendelssohn.

Die Schauspieltexte ersetzen nicht gültige Opernlibretti, die eine entsprechende Musik zu akustischer Vitalität erwecken könnte, die Mendelssohn Zeit seines Lebens gesucht, aber wohl nicht in befriedigendem Maße gefunden hat. Gleichwohl vermitteln gerade die Schauspielmusiken noch heute Mendelssohns Streben nach literarischen Sujets, die Musik des ‚erhabenen Stils‘ fordern, wie es die bereits erwähnten zur Komposition vorgenommenen Oratorientexte tun. Eine solche Gratwanderung zwischen musiktheatralischem Ausdruck und christlichem Gehalt ist auch durch die zitierten Choräle in der Musik zu Athalia zu hören.

Wie die anderen Schauspielmusiken ist auch die Musik zu Athalia mehr als eine Kompositionsübung im dramatischen Stil. Mendelssohns Musik stellt weitaus mehr dar, als die von den Zeitgenossen in solchen Zusammenhängen geforderte ‚analoge‘ Musik, sondern erklingt als (aus)deutende Musik. Indem sie nicht musikalische Floskeln oder Reihungen mehr oder weniger adäquater, symbolbefrachteter und beim Erklingen assoziationsstarker Versatzstücke bemüht, sondern in die dramatische Fügung der Schauspielszenen sich teils integriert, teils diese aufnimmt, musikalisch ausarbeitet und fortführt, beantwortet sie die Frage mit musikalischen Mitteln jeweils neu, weshalb gespielt und gesungen und nicht weiter gesprochen wird und überschattet damit die in der Zeit übliche Schauspielmusik zu Vorhängen oder Umbauten.

© 2002 Dr. Norbert Bolin

DAS NEUE ORCHESTER

CHORUS MUSICUS KÖLN

CHRISTOPH SPERING

Die Interpretation von Werken auf historischen Instrumenten und in historischer Rhetorik ist das Markenzeichen der Arbeit Christoph Sperings und seiner Ensembles DAS NEUE ORCHESTER und CHORUS MUSICUS KÖLN. Der CHORUS MUSICUS KÖLN wurde 1985 von Christoph Spering gegründet. Dem Ensemble wird durchweg hohe Virtuosität, gepaart mit ausgewogener Klangschönheit und Intonationsreinheit bescheinigt. Das breitgefächerte Repertoire reicht vom achtzehnten bis ins zwanzigste Jahrhundert; ein Schwerpunkt liegt auf weniger bekannten Werken der Klassik und Romantik. Im Zentrum der künstlerischen Arbeit und der Forschung von Christoph Spering steht das Repertoire der Klassik und Romantik.

Als einer der ersten Dirigenten ist er mit Aufführungen von Werken des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts im historischen Aufführungsstil hervorgetreten und hat damit einen innovativen Weg der Interpretation beschritten. Die intensive Beschäftigung z. B. mit den Werken Felix Mendelssohn Bartholdys führte zu Neuinterpretationen der zweiten Sinfonie (Lobgesang) und des Paulus. Christoph Sperings internationaler Schlüsselerfolg war die Erstaufführung der von ihm wiederentdeckten Mendelssohnfassung von Bachs Matthäuspassion in der Kölner Philharmonie, die auch auf CD eingespielt wurde. 1993 dirigierte er das Werk mit großem Erfolg im Théâtre des Champs-Elysées in Paris, später u. a. im Palau de la Música, Barcelona, bei den Potsdamer Musikfestspielen und zuletzt, im Februar 2002, in der szenischern Version von Götz Friedrich an der New Israeli Opera, Tel Aviv. 2003 steht das Werk im Concertgebouw Amsterdam auf dem Programm.

Neben Bach, Händel, Mozart, Schubert, Mendelssohn, Rossini, Brahms und Beethoven widmet sich Christoph Spering auch weniger bekannten Komponisten und der Wiederentdeckung von vergessenen Kompositionen (Schumann: Der Rose Pilgerfahrt, Beethoven: Christus am Ölberge, Salieri: Requiem, Romberg: Die Glocke, Lesueur: Oratorios du Couronnernent de Charles X, Cherubini: Requiem) Die Zusammenarbeit mit Chor und Orchester ermöglichte es Spering, die Gattungen Oper und Oratorium zum wesentlichen Schwerpunkt des Repertoires zu entwickeln.

Neben zahlreichen konzertanten Aufführungen, darunter Schuberts Die Verschworenen (Wiener Konzerthaus) und Cherubinis Les Deux Journées (Kölner Philharmonie), wirkten Christoph Spering und seine Ensembles an den Opernproduktionen von Rossinis Il barbiere di Siviglia und L'occasione fà il ladro (Dresdner Musikfestspiele) mit. Seit dem Bestehen des NEUEN ORCHESTERS und des CHORUS MUSICUS KÖLN haben die Ensembles unter Sperings Leitung in bedeutenden Konzertreihen und namhaften Festivals in ganz Europa gastiert, darunter in der Kölner Philharmonie, im Thèâtre des Champs-Elysées, im Konzerthaus Wien, im Palau de la Música Barcelona, im Concertgebouw Amsterdam, bei den Dresdner Musikfestspielen, bei den Festivals in Beaune, Ambronay und La Roque d'Antheron, beim Festival des Cathédrales en Picardie, beim Holland Festival Oude Muziek Utrecht, beim Festival de Besançon, den Potsdamer Musikfestspielen, beim Internationalen Musikfest Stuttgart, im Konzerthaus Berlin und beim Bachfest Leipzig.