CD 13 FELIX MENDELSSOHN LOBGESANG
CD 13 FELIX MENDELSSOHN BARTHOLDY (1809-1847)
LOBGESANG

CD 13 Felix Mendelssohn Lobgesang

CD 13 FELIX MENDELSSOHN BARTHOLDY (1809-1847) LOBGESANG Eine Symphonie-Cantate nach Worten der Heiligen Schrift

FELIX MENDELSSOHN BARTHOLDY (1809-1847)

LOBGESANG

Eine Symphonie-Cantate nach Worten der Heiligen Schrift

 

1 Allegro maestoso e vivace l'02

2 Allegro un poco agitato 5'44

3 Adagio religioso 6'33

4 Coro „Alles was Odem hat, lobe den Herrn“ Allegro moderato maestoso 4'45

5 Soprano I solo „Lobe den Herrn meine Seele“ Molto più moderato ma con fuoco l'59

6 Recitativo Tenore solo „Saget es, die ihr erlöst seid“ 0'51

7 Tenore solo „Er zählet unsre Tränen“ Allegro moderato 2'04

8 Coro „Sagt es, die ihr erlöset seid" A tempo moderato l'54

9 Duetto e Coro Soprano I e II solo „Ich harrete des Herrn“ Andante 523

10 Aria Tenore solo „Stricke des Todes hatten uns umfangen“ Allegro un poco agitato l'52

11 Recitativo Tenore solo „Wir riefen in der Finsternis“ Allegro assai agitato 224

12 Soprano I solo e Coro “Die Nacht ist vergangen!“ Allegro maestoso e molto vivace 5'05

13 Chorale „Nun danket alle Gott“ Andante con moto 2101

14 Coro „Lob, Ehr und Preis sei Gott“ Un poco più animato 245

15 Soprano I e Tenore solo „Drum sing' ich mit meinem Liede“ Andante sostenuto assai 4'30

16 Coro “Ihr Völker, bringet her dem Herrn Ehre und Macht“ Allegro non troppo 5'.33

Besetzung:

Soile Isokoski, Soprano I

Mechthild Bach, Soprano II

Frieder Lang, Tenor

 

Chorus Musicus Köln

Das Neue Orchester

CHRISTOPH SPERING, Dirigent

 

Eine Stadt, die sich als künstlerische und wirtschaftliche Metropole eines Landes versteht, kann in ihrer Kulturpolitik wohl kaum einen klügeren Schritt tun, als einen dynamischen jungen Musikdirektor zu engagieren, der darüber hinaus schon sensationelle Erfolge als Komponist aufzuweisen hat.

Mit der Verpflichtung des sechsundzwanzigjährigen Felix Mendelssohn-Bartholdy gelang dies im Jahre 1835 der altehrwürdigen Messe- und Buchdruckerstadt Leipzig. Das Wunderkind aus dem wohlhabendem Bankiershause, im aufgeklärten Geiste seines Großvaters, des Philosophen Moses Mendelssohn, erzogen, hatte bereits mit elf Jahren zu komponieren begonnen und sich spätestens 1826 mit der Ouvertüre zurn Sommernachtstraum einen respektablen Ruf als Komponist erworben.

Der Dirigent Mendelssohn wurde durch die legendäre Wiederaufführung der Bachschen Matthäus-Passion mit der Berliner Singakademie 1829 berühmt, und die Liebe zur Musik der alten Meister zog sich fortan durch sein ganzes musikalisches Schaffen. Als Vokalkomponist orientierte er sich deutlich an den chorischen Kompositionstechniken Bachs und Händels, denen er jedoch durch seine unverwechselbaren Harmonisierungen gleichsam romantischen Geist einhauchte.

Seit 1833 Musikdirektor in Düsseldorf, initiierte er mit Begeisterung Historische Konzerte, die dem Publikum die Musik der Alten näherbrachten, insbesondere anlässlich der aufsehenerregenden Niederrheinischen Musikfeste. So stellte die Berufung zum Leiter des damals längst renommierten Gewandhausorchesters für den Künstler wie für die Leipziger einen besonderen Glücksfall dar.

Die Vorstellungen und Erwartungen beider Seiten ließen sich ohne große Schwierigkeiten in Übereinstimmung bringen. Mendelssohn gelang sogar die Einrichtung eines städtischen Konservatoriums, besaß doch Leipzig, wie er 1840 äußerte, „gerade für den Zweig der Kunst, der immer eine Hauptgrundlage des musikalischen Studiums bleiben wird, für höhere Instrumental- und geistliche Compositionen in seinen sehr zahlreichen Concerten und Kirchenmusiken ein Bildungsmittel für angehende Tonkünstler, wie es wenig andere deutsche Städte in dem Maße aufzuweisen haben.“

Dasselbe Jahr 1840 brachte der Messestadt ein bedeutsames Jubiläum, für dessen festliche Aktivitäten sich natürlich auch der Musikdirektor Mendelssohn kompositorisch engagierte: Zur vierhundertsten Wiederkehr der Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg wurde am 25. Juni in einem Konzert in der Thomaskirche neben Carl Maria von Webers Jubelouvertüre und Händels Dettinger Te Deum zum ersten Mai sein Lobgesang aufgeführt.

Die Komposition verband in einzigartiger Form die historischen, geistesgeschichtlichen und religiösen Aspekte des Jubiläums. Mendelssohn hatte sein Augenmerk vor allem auf die Bedeutung Gutenbergs für die Verbreitung der reformatorischen Schriften und die Bibelübersetzung Martin Luthers gerichtet. Hier fand er denn auch die hymnischen Texte, die im Lobgesang das Per aspera ad astra aufscheinen lassen, den Weg vom Dunkel zum Licht, jene religiöse und zugleich aufklärerische Motivik.

In besonderer Weise sprach dabei die Rolle der Musik im Lutherturm den klassisch-romantischen Künstler Mendelssohn an. Das beweist das Motto, das er dem Werk im Erstdruck von 1841 voranstellen ließ: „Sondern ich wöllt alle künste, sonderlich die Musica, gern sehen im dienst, des der sie geben und geschaffen hat. Dr. M. Luther.“ Der Eindruck, den das Werk auf die Zeitgenossen ausübte, spiegelt sich in einer enthusiastischen Rezension Robert Schumanns über die Uraufführung wider.

Besonders ergriffen hatte die Zuhörer damals der Satz Ich harrete des Herrn, "nach dem sich ein Flüstern in der ganzen Versammlung erhob, das in der Kirche mehr gilt als der lauteste Beifall im Concertsaal. Es war wie ein Blick in einen Himmel Raphael‘scher Madonnenaugen.“

Mendelssohn führte das Werk in den kommenden Monaten mehrmals wieder auf, am 23. September beim Musikfest im englischen Birmingham, dann am 3. und 16. Dezember im Leipziger Gewandhaus. Bei letzterem Konzert war der sächsische König zugegen.

Mendelssohn an seinen in London lebenden Freund Carl Klingemann: „Der König war superb liebenswürdig ... am Schluss des Concerts ließ er seinen ganzen Hofstaat stehen, kam durch den Saal an mein Pult und dankte auf die allerfreundlichste und lebendigste Weise. Hier kannst Du Dir Leipzigs Jubel denken . . ."

Zu den Dezemberaufführungen hatte Mendelssohn das Duett „Drum sing' ich mit meinem Liede“ überarbeitet und die Tenor-Soli „Er zählet unsre Tränen“ und „Wir riefen in der Finsternis“ hinzukomponiert. Das letztgenannte Arioso unterbrach nun als dramatischer Höhepunkt den hymnischen Ton der übrigen Sätze in entscheidender Weise.

So ist die Erregung des Komponisten verständlich, als er im März 1841 vom Plan einer englischen Aufführung in der ursprünglichen Werkgestalt erfuhr. In energischen Worten bat er seinen in London lebenden Freund Carl Klingemann um Hilfe: „...bitte protestiere gleich aufs Kraeftigste gegen eine Aufführung ohne die drei neuen Stücke in meinem Namen! Lass es ja nicht zu!“

Sein Protest kam jedoch zu spät, und Mendelssohn verbrachte darüber „zwei Tage lang wütend und rasend“. Schumann hatte in seiner Rezension bereits die einzigartige Form des Lobgesangs hervorgehoben: Dem vokalen Hauptteil aus Chören und Arien ist eine ausgedehnte instrumentale Einleitung vorangestellt, in der nach dem Vorbild einer barocken Sinfonia, so Mendelssohn an Klingemann, „die Instrumente in ihrer Art loben.“ Klingemann regte daraufhin die Bezeichnung „Symphonie-Cantate“ an, die sich dann auch im Erstdruck wiederfindet.

Hieraus wird ersichtlich, dass Mendelssohn keineswegs an ein Instrumentalwerk mit chorischer Schlusssteigerung dachte, wie es die Neunte Sinfonie Beethovens darstellt. Dennoch wird der Lobgesang als Zweite Sinfonie Mendelssohns immer wieder mit der Beethovenschen Kornposition verglichen.

Das hat lange Zeit den Blick auf seine geniale Singularität als Schlüsselwerk zwischen sinfonischem und oratorischem Œuvre verstellt. In vielen Fällen weigerte sich der stets selbstkritische Komponist, seine Schöpfungen im Druck zu veröffentlichen – das betraf sogar Kompositionen wie die heute so bekannte und geschätzte Italienische Sinfonie.

Umso bemerkenswerter ist die Tatsache, dass der Lobgesang nur wenige Monate nach Vollendung der handschriftlichen Partitur bei Breitkopf & Härtel in Leipzig erschien. Schenken wir also dieser Symphonie-Cantate, dem zu Mendelssohns Lebzeiten wohl erfolgreichsten seiner Werke, die verdiente größere Aufmerksamkeit, gewinnen wir sicherlich auch ein realistischeres Bild der einzigartigen klassizistisch-romantischen Künstlerpersönlichkeit seines Schöpfers.

Bernd Heyder