Christoph Spering – Entdecker musikalischer Raritäten
in R(h)einkultur
Christina Schulz
Der ganz große Durchbruch gelang dem Kölner Dirigenten Christoph Spering 1993, als er im Pariser Théâtre des Champs-Elysées Johann Sebastian Bachs Matthäus Passion in einer vorher nie gehörten Fassung präsentierte: Das Passionsoratorium in der Bearbeitung von Felix Mendelssohn Bartholdy. Die Aufführung war ein durchschlagender Erfolg und führte nicht nur zu einem ersten Schallplattenvertrag, sondern auch zu internationaler Aufmerksamkeit für die Arbeit des jungen Kölner Entdeckergeistes.
Für die Musikwelt war die Wiederentdeckung der Mendelssohnschen Mathäuspassion eine kleine Sensation. “Alle noch so kleinen musikalischen Eingriffe haben eine große musikalische Wirkung und sind von einem Genie wohldosiert angebracht worden”, so Christoph Spering über die Mendelssohn-Fassung.
Forschung, Originalität und Musikgeschichte sind drei wichtige Säulen, auf denen Christoph Sperings programmatische und interpretatorische Besonderheit basiert. Und so war der damals in Paris bejubelten Matthäuspassion eine wissenschaftliche Reise nach Oxford vorausgegangen, wo Spering sich intensiv mit der Originalpartitur befasste, die der Komponist Felix Mendelssohn Bartholdy 1929 in der von ihm selbst dirigierten Aufführung des Bachschen Werkes verwendet hat. Mendelssohn wollte das Oratorium nicht nur als erster Musiker der Romantik aus der Vergessenheit holen, er hatte auch Veränderungen am Notentext vorgenommen. Seit 1993 ist die Mendelssohn Fassung ins Repertoire einiger internationaler Konzerthäuser eingegangen und nicht selten ist es Spering selbst, der sie dirigiert. So wie jetzt in Köln und Duisburg, wo Das Neue Orchester und der Chorus Musicus Köln an Gründonnerstag und Karfreitag zur Entdeckung dieser spannenden Bearbeitung eines großen Sakralwerks der Barockzeit einladen.
Chor und Orchester hat Christoph Spering in den 80er Jahren selbst gegründet und die beiden Klangkörper sind durch lange und konsequente Zusammenarbeit perfekt aufeinander eingespielt. So perfekt, dass es Veranstaltern und Musikkritikern europaweit als herausragend auffällt und das musikalische Ergebnis auch aufgrund der starken Homogenität in Klang und Dynamik gelobt wird.
Beide Ensembles sowie ihr Leiter selbst gehören der vielbeschriebenen Kölner Alte Musik Szene an, sind als Teil dieser Szene gewachsen und stehen als Kulturbotschafter der Domstadt auf internationalen Musikbühnen. Auch wenn Christoph Spering sich selbst eher bescheiden gibt und weniger offensiv auf sich aufmerksam macht für viele Musikliebhaber ist er schon lange mehr als nur ein Geheimtipp. Viele seiner Einspielungen gelten als Referenzaufnahmen.
So geschieht es aktuell mit Sperings CD Veröffentlichung des Oratoriums “Elias” von Felix Mendelssohn Bartholdy. Ob sie besser ist als die eines Kollegen, die zufällig zeitgleich auf den Markt kommt, ob die Interpretation des Kölners schlüssiger oder überzeugender ist und wer mit den besseren Klangkörpern und Solisten aufwarten kann, fragt sich die Kritik. Auf dem CD Markt stört es nicht, wenn man verglichen wird. Es zeigt eher, dass man ernst genommen wird und als Maßstab für Musikalität einen Platz in der Musikwelt hat. Und diesen belegt Spering seit vielen Jahren überzeugend als Suchender auf dem Weg zur Wahrheit. Von “Werktreue”, “Transparenz”, “Entrümpelung”, aber auch von “Überraschung”, “Mut zum Risiko” und “revolutionärer Sprengkraft” ist zu lesen und die WAZ versteigt sich im Zusammenhang mit der Interpretation der Sinfonien von Ludwig van Beethoven sogar zu der Aussage “Spering weiß, was Beethoven wollte”.
Apropos Beethoven: Eine wichtige Station in Christoph Sperings musikalischer Laufbahn war die Aufführung sämtlicher Sinfonien des großen Komponisten in der Philharmonie Essen und in Köln. Zum ersten Mal fand ein solcher Zyklus auf Originalinstrumenten statt und so manch eingefleischter Beethoven Kenner schärfte bei den Aufführungen des Neuen Orchesters sein Gehör noch einmal ganz neu. In Köln knüpfte das Ensemble an die Sinfoniekonzerte jeweils einen rnusikdidaktischen Teil. “Beethoven erklärt” hießen die Kölner Gesprächskonzerte und der Heißhunger auf musikalische Bildung in der Kulturmetropole Köln wuchs mit jeder Aufführung mehr. Lokalen Medien zufolge liegt dem Dirigenten das Moderieren seiner Konzerte im Blut.
Eine echte Marktlücke also? ja, und deshalb will Christoph Spering jetzt mit einer Neuauflage seiner erfolgreichen Beethoven Reihe auch in andere Städte NRWs gehen und das Publikum dort davon überzeugen, dass Klassik noch mehr Spaß macht, wenn man etwas über den Komponisten und seine Zeit erfährt. “Man hört nur, was man weiß”, so der überzeugte Klassik Missionar Spering, auf dessen nächste Projekte im Rheinland wir uns freuen dürfen.